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PETRONIUS GERMANICUS - FLIEGE KLEINER IKARUS

DE/EN

Translation by the author



Die Wehklage für Ikarus , H.J. Draper, 1898
Die Wehklage für Ikarus , H.J. Draper, 1898



Von unten zerknabbert, von oben geschändet

Weine nicht, weine nicht, du weißt doch wie das endet

Ein Fuß in den Bauch, ein Schlag ins Gesicht

Man rächt dich nicht, gibt kein letztes Gericht

Hälst du es nicht mehr aus, fängst du an mit schreiben

Erhebe dich, erhebe dich, lass sie zurück all diese Feigen


Weinst du nun, kommst du dem Ganzen zu kurz?

Fliege kleiner Ikarus, wir folgen dir in deinem Sturz!


Nicht beachtet, zwischen Ratten gefangen

Durch das laute Gelächter die Grausamkeit empfangen

Sagst mir, dass du immer die Unschuld siehst

Zu Grunde gingst du, weil du ihnen verziehst

Rächen must du dich, rächen am Menschen

Ob er hat geballte Fäuste, oder hält Händchen!


Weinst du nun, kommst du dem Ganzen zu kurz?

Fliege kleiner Ikarus, wir folgen dir in deinem Sturz!


Heruntergebrochen wurdest du auf deinen Nutzen

Sprichst du ohne Maske siehst du sie nur stutzen

Eingesperrt in diesem kleinen geschmückten Käfig

Sagst mir, du bist der Erhebung nicht mehr fähig

Greife nach der Feder, schlage den Schädel gegen die Stangen

Deine Gedanken niemand kann halten gefangen


Weinst du nun, kommst du dem Ganzen zu kurz?

Fliege kleiner Ikarus, wir folgen dir in deinem Sturz!


Von deinen Schöpfern wurdest du verraten

Einen Grund konntest du nicht erraten

Unfähig dich weiter zu belügen

Die Fähigkeit nicht mehr vorhanden zu betrügen

Unfähig des Schlafes musstest du dich rügen

Am Ende der Selbstvernichtung dich fügen


Weinst du nun, kommst du dem Ganzen zu kurz?

Fliege kleiner Ikarus, wir folgen dir in deinem Sturz!




Petronius Germanicus
Petronius Germanicus

Petronius Germanicus


Das Pseudonym Petronius Germanicus entstand in Wien. Dort absolvierte ich den ersten Teil meines Philosophiestudiums und begann zu schreiben. Denken, Schreiben – ja, Handeln im Allgemeinen – ist in meinen Augen etwas, das, selbst wenn es sich mit Abstraktem befasst, niemals den Bezug zur Wirklichkeit verlieren darf. Denn diese ist frei von Abstraktionen und kann allein deren Nahrung sein – nicht umgekehrt.

Jeder Gedanke, jedes geschriebene oder gesprochene Wort muss sich an der Realität bewähren, um irgendeinen Anspruch auf Geltung erheben zu können. Philosophieren ist daher in meinen Augen keine Tätigkeit, die sich auf das Studierzimmer beschränken lässt, sondern eine, die sich in der Gesellschaft vollzieht – allerdings in der Gesellschaft, wie sie ist, und nicht in künstlichen Welten oder plastischen Gemeinschaften, die sich unter Berufung auf abstrakte Normen abschotten wollen.

Solche Fluchtwege mögen wir dem Durchschnittsmenschen zugestehen; dem homme de lettres jedoch müssen sie zuwider sein.





FLY LITTLE ICARUS



The Lament for Icarus, H.J. Draper, 1898
The Lament for Icarus, H.J. Draper, 1898


Gnawed from below, from above defiled,

Don’t you cry, don’t you cry — you’ve known this all the while.

A kick to the gut, a blow to the face,

No one avenges, no trial, no case.

If you can’t bear it, pick up the pen,

Rise, oh rise, leave behind those cowardly men.


Do you weep now, does it all feel too much?

Fly, little Icarus — we’ll follow your fall and your touch!


Unseen, caught between rats in a row,

Laughter so loud hides the cruelty they show.

You tell me you always see innocence clear,

But it’s forgiving them that brought you here.

Now vengeance must come, take aim at mankind —

Whether fists they raise or their fingers entwined!


Do you weep now, does it all feel too much?

Fly, little Icarus — we’ll follow your fall and your touch!


Reduced to your value, your worth just a tool,

When you speak unmasked, they just stand there and drool.

Locked in a cage, though pretty and neat,

You whisper you’ve lost the strength to compete.

Reach for the feather, strike your head on the bar,

No one can cage your thoughts from afar.


Do you weep now, does it all feel too much?

Fly, little Icarus — we’ll follow your fall and your touch!


By those who made you, betrayed and ignored,

No reason found, no truth to afford.

Too tired to lie, too worn to deceive,

No more strength left in tricks to believe.

Sleepless you scolded yourself without end,

Till self-destruction became your only friend.


Do you weep now, does it all feel too much?

Fly, little Icarus — we’ll follow your fall and your touch!




Petronius Germanicus
Petronius Germanicus


Petronius Germanicus


The pseudonym Petronius Germanicus was born in Vienna. It was there that I completed the first part of my philosophy studies and began to write. Thinking, writing – indeed, action in general – is, in my view, something that, even when it engages with abstract matters, must never lose touch with reality, which is free of abstractions and can only nourish them, not the other way around. Every thought, every written or spoken word must prove itself against reality in order to claim any kind of validity.

Philosophizing, then, is not, in my view, an activity confined to the study, but rather one that unfolds within society – yet not within a fabricated society, not in synthetic worlds that wall themselves off by appealing to abstract norms. This kind of escape may be granted to the average man, but for the homme de lettres, it must remain forbidden.


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